Digitaler Musikmüll

Mich beunruhigt die fast komplette Digitalisierung sämtlicher Musik mitlerweile zutiefst. Sicher, gerade als Musiker habe ich auch sehr davon profitiert und profitiere noch immer. Es ist viel einfacher, Musik miteinander auszutauschen, die heimische Musiksammlung ist deutlich umfangreicher, als es früher [zu Zeiten von Vinylschallplatten und Musik-Cassetten] möglich war, und die allgemeine Klangqualität mag im Durchschnitt dezent angestiegen sein. Aber dennoch… jemand sagte neulich zu mir, es sei doch irgendwie auch schade, dass jetzt sämtliche Musik irgendwie viel zu leicht verfügbar wäre. Stimmt schon – inflationär, das ganze, irgendwie. Aber mein eigentliches Problem ist ein ganz anderes:
Als ich mir vor Jahren meinen ersten Minidisc-Walkman von Sony leistete, war ich noch Feuer und Flamme für die handlichen kleinen Dinger… damals besaß ich noch keinen PC, somit keinen Brenner und keine Festplatte voller mp3s. Der Minidsic-Walkman gestattete es mir, trotzdem Aufnahmen in hoher Qualität von CD auf ein mobiles Medium zu kopieren und mich unterwegs mit der Musik zu beschallen, die meiner aktuellen Verfassung entsprach. [Ich bin nämlich keiner dieser Random-Listener mit ihren 4 Gigabyte-Shuffle-Playlistscheiße, sondern ich höre mir nach wie vor am liebsten komplette Alben meiner Lieblingskünstler an - ich höre Musik nun mal gerne im intendierten Gesamtzusammenhang - warum ich das Gefasel über die Blödsinnigkeit von Konzeptalben blödsinnig finde, schrieb ich irgendwann auch mal in mein Weblog, das leider verloren gegangen ist - aber ich schweife ja ab...]
Kurz nach Ablauf der Garantiezeit ging jener Player dann aber sofort kaputt – wie das mit Reparaturkosten für solche Geräte aussieht, weiß ja jeder… ich biss also alsbald in den sauren Apfel und besorgte mir einen neuen Minidisc-Walkman – mitlerweile verfügte ich schließlich über eine kleine Sammlung von 50 oder 60 liebevoll und individuell bespielten Minidiscs.
Es scheint wirklich einen Garantiezeit-gesteuerten Selbstzerstörungs-Mechanismus bei den Dingern zu geben. Es war genau wie beim ersten Mal: Garantiezeit = um, Gerät = schrott. O.K. – Fairerweise sollte ich erwähnen, dass beide Geräte nicht völlig zerstört sind, aber während Walkman Nr.1 sich beharrliche weigert, überhaupt irgendwas aufzunehmen und nur noch abspielt [aber auch nur ausgewählte MDs, die ihm wohl gut gefallen] hapert es bei Walkman Nr.2 vor allem an der Wiedergabe – MDs werden zum Teil viel zu spät oder überhaupt nicht mehr erkannt. Wenn ich morgens eine MD auflege und meinen 60-Minuten-Ritt zur Arbeit antrete, kann ich manchmal warten, bis ich zehn Meter vor meinem Arbeitsplatz bin, bis das blöde Scheißding anfängt, sich zu bequemen, mir meine gewünschte Musik vorzududeln. Manchmal habe ich mehr Glück, dann springt er relativ zügig an, aber dann darf ich nicht auf die Idee kommen, bei den Titeln hin und her zu steppen oder gar eine andere MD einzulegen – solche komplizierten Dinge versteht das Ding anscheinend nicht mehr und fällt in eine Art Sleep-Modus.
Ist das nicht alles Bullshit??
B.U. – Bullshit unlimited.
Dabei war ich lange Zeit – zugegeben – ein großer Freund gerade des Minidisc-Formates – ich fand die kleinen Dinger irgendwie sympathisch. Die Klangqualität war super, und die Kapazität war überschaubar – wie ich es gern habe passte eine “lange” CD locker auf eine MD – ich hatte immer drei oder vier meiner Lieblings-Scheiben auf MD bei mir und legte immer jene ein, die meiner aktuellen Stimmung entprach. Was soll ich jetzt machen mit den MDs, auf denen ich sitze? Zum Teil sind das – man merke auf – Aufnahmen von den MCs, die ich wiederum ganz früher vom Vinyl einiger Lieblingsplatten gezogen hatte. Diese jetzt wiederum zurück in den Computer zu samplen und dann zu brennen oder auf diese komischen Speicherchips zu packen kommt mir wie eine Vergewaltigung vor. Nicht wenige CDs sah ich mich inzwischen genötigt, neu zu kaufen [das kennen sicher viele von euch, einer Plattenfirma drei mal im Prinzip für das gleiche Produkt in den Schlund zu pfeffern... das Album "Made in Japan" von Deep Purple muss ich wohl mindestens drei mal gekauft haben.]
Ich erinnere mich noch gut an meinen letzten analogen MC-Walkman… da fehlte schon die Abdeckung des Kassettenfachs, und wenn der Akku schwach wurde, wurde die Musik immer langsamer, bis er völlig ausging, das war unheimlich. Hmm, da war meistens ne Kassette drin, die auf der A-Seite mit Free und auf der B-Seite mit Rage against the machine bespielt war – ich fand, dass das hervorragend zusammen passte. Aber das Ding hat funktioniert, und das ist der Punkt. Würde wahrscheinlich immernoch funktionieren, aber ich dachte dann [in meinem jugendlichen Leichtsinn], Minidisc müsse einfach besser sein.
Diese ganze unausgereifte, unzuverlässige Pseudo-Hightech-Grütze kotzt mich inzwischen so sehr an, dass ich ernsthaft überlege, wieder auf Vinyl und MC umzusteigen. Dass Vinyl-Platten einfach charmanter sind als CDs war schon immer meine Rede. Tja. Ich bin 30 Jahre alt – als ich anfing, aktiv und bewusst Musik zu hören, fing die CD gerade an, das Vinyl vom Markt zu verdrängen- damals besaß ich vielleicht so zehn oder fünfzehn Vinyl-Schallplatten und sprang mit dem vermehrten Kaufen von CDs ebenfalls auf den digitalen Leichenzug auf. Schade. Dumm von mir. Aber konnte ich damals nicht besser wissen. Meine erste “richtige” Stereoanlage kam dann konsequenterweise auch schon ohne Plattenspieler aus und heute höre ich, wie ich mit einem gewissen Entsetzen feststellen muss, meistens tatsächlich mp3s aus der PC-Festplatte – ekelhaft. Man kann sich gar keine richtige Musiksammlung mehr zusammenstellen und pflegen, alle paar Jahre wird man gezwungen sein, wieder auf ein neues [digitales] Medium zu migrieren. Und wenn die Hardware stimmt, schreit bestimmt irgendwann die Software nach neuen Updates, irgendwann schafft wieder nur ein wieder noch neuerer PC Abhilfe, der mit der aktuellen Software auch zurechtkommt. Von diesem ganzen Digital-Rights-Management- Albtraum will ich gar nicht anfangen, dann wird mir richtig übel.]
Und genauso ist es auch mit der Verdrängung von VHS durch DVD. Alles Grütze! Grütze!!! Allein die Auseinandersetzung mit den jeweiligen neuen Medien raubt einem schon so viel Energie, dass ich mir wünsche, ich hätte niemals so viel Kohle in MDs, Computer und CD-Rohlinge versenkt [ach, mein erster Brenner damals von Phillips, der schrottete sich übrigens auch ganz schnell von selber - vielleicht liegt das auch einfach an meiner Aura oder so] sondern von Anfang an auf die Pflege einer richtigen Plattensammllung gesetzt und bei Zeiten in einen vernünfitgen Plattenspieler investiert. Heute weiß ich zwar, wie ich am Computer Mehrspuraufnahmen machen, CDs brennen und mp3 ein- und ausfaden kann, aber habe keinen blassen Schimmer von Riemenantrieben, Tonarmen und Tonabnehmersystemen. So fällt die Kaufentscheidung dann doch recht schwer, ich will ja auch nicht irgend einen Mist. Das ganze soll funkionieren und vernünftig klingen, mehr will ich doch gar nicht. Und zwar zuhause und unterwegs.
Und deswegen beobachte ich jetzt doch Seiten wie diese, diese oder diese und sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Ich warte sehnsüchtig auf eine Meldung wie: “Besorg dir einfach Gerät XY, da ist alles bei und das taugt auch und kostet weniger als 300 Euro” ,o) Aber ich fürchte, darauf kann ich lange warten. Werde mich wohl selber informieren müssen. Und in der Zwischenzeit werde ich wohl doch nicht drum herum kommen, einen kleinen mp3-Player für unterwegs zu besorgen… *zeter* obwohl ich eigentlich genau das vermeiden möchte, noch mehr digitalen Quatsch um mich herum zu haben, mich davon abhängig zu machen… aber hey: Ich bin einfach von Musik abhängig. Ne Zeitlang habe ich auch mit diesen Ipods herumgeliebäugelt, bis mir der Philipp verriet, dass seiner sich auch bei Nichtbenutzung entlädt [Akku-mäßig] – und das fände ich dann doch auch sehr unknusprig. Das kanns doch auch nicht sein. Irgend eine Lösung muss her…
Am liebsten hätte ich einfach einen halbwegs vernünftigen Plattenspieler, ein Tapedeck dazu und einen ganz normalen Walkman für altmodische Kassetten. Ich würde mir, glaube ich, wirklich den Spaß gönnen, die wirklich wichtigen Platten noch irgendwo irgendwie auf Vinyl nachzukaufen… das allermeiste, was mich wirklich bewegt, kommt sowieso aus Zeiten, in denen von CD noch keine Rede war. Und wie viel charmanter ist es, sich eine schöne Platte aus dem Regal zu blättern, sie vorsichtigst aus der Hülle zu ziehen, noch vorsichtiger dann aufzulegen und sich dann 20 Minuten lang an dem riesigen Cover zu erfreuen – das hat was sinnliches! Finde auch diese Zäsur irgendwie gut, nach 20 Minuten umdrehen zu müssen. Das hat einfach alles was, gell, da wollen wir wieder hin.
[Ach übrigens:Das ist hier ein Weblog - - es darf kommentiert werden!]

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posted on Wednesday, September 28th, 2005

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4 Responses to “Digitaler Musikmüll”

  1. mtl says:

    glücklicherweise (sic!) war mein geldbeutel in den letzten jahren nie übermässig prall gefüllt. jedenfalls habe ich statt hifi-equipment andere dinge gekauft. so kommt es, dass im wohnzimmer immer noch eine altertümliche (aber leistungsfähige) stereo-anlage mit vinyl-plattenspieler steht. manchmal habe ich mich darüber geärgert, wie umständlich es sein kann, die lieblingsmusik portabel zu machen, aber wenn ich darüber nachdenke – auch in anbetracht dessen, was du oben geschrieben hast – bin ich gar nicht mehr so unglücklich über meine rückständige hifi-ausstattung. migrationsprobleme haben sich mir bisher jedenfalls noch nicht gestellt. vielleicht sollte ich aber darüber nachdenken, mir ein paar plattenspieler und bandgeräte auf halde zu legen, damit ich zeit meines lebens noch vinyl etc. abspielen kann…

  2. Rushme says:

    Beim Media Markt [ich bin doch BLÖD!] sah ich neulich einen Thorens-Plattenspieler für ca. 250 Euro… aber ich glaube, das war ein Gerät, vor dem an anderer Stelle schon gewarnt wurde.

  3. 7an says:

    Schreib doch einfach mal ne Hardware-Musikzeitschrifts-Redaktion an und frag, ob sie Dir ein Gerät empfehlen können.

    Die mp3s finde ich ehrlich gesagt ziemlich gut. CDs nerven eher und haben wenig Charme. Neulich bin ich in den Urlaub gefahren und musste erst mal meine CD-Sammlung durchstöbern, manche sogar erst noch brennen, um schließlich einen ganzen Stapel von diesen Scheiben mitzunehmen. Sehr unsexy und aufwändig. Für einen I-Pod hab ich leider noch kein Geld, aber was gibt’s besseres? Und das muss ja nicht bedeuten, dass man keinen Plattenspieler nutzt. Gerade für alte Scheiben (Doors, The Who etc.) und Klassik kommt sowas ziemlich geil, finde ich. State of the art und Oldschool schließen sich nicht aus.

  4. [...] Also, ich bin hatte mich ja vor kurzem reichlich über den ganzen digitalen Musikmüll verbreitet [von der Müllqualität der meisten aktuellen Musik mal abgesehen, aber ich glaube, das fällt auch einfach nur so auf, weil man eben so leicht an alles rankommt… unendlich viel Schrott gab es doch schon immer! Und auch heute gibt es noch mehr als genug kreative Musiker, die das Musizieren aus Passion, aus Liebe betreiben und nach wie vor erstklassige Musik schreiben, interpretieren, aufnehmen und aufführen… ganz so pessimistisch wollen wir dann mal doch nicht sein! Ach übrigens, wir suchen übrigens immer noch einen fitten Drummer…] [...]

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